WIR SIND UNESCO-WELTKULTURERBE

Die Stadtgemeinde Wolkersdorf sowie der Weinbauverein Wolkersdorf und die Weinritter hatten sich 2022 entschlossen, die Hauerfahne, welche jährlich bei der Fronleichnamsprozession durch die Hauerburschen ausgeführt wird, sowie die Tradition des Hüterbaum-Aufstellens bei der UNESCO als kulturelles Erbe einzureichen. Vonseiten der Stadtgemeinde Wolkersdorf erhielt der Historiker Wolfgang Galler den Auftrag für die begleitende Studie, ohne die wir gar nicht hätten einreichen können. Stadtrat Stefan Streicher hat den Studienautor zum Interview getroffen:

Was hat dein Interesse an diesen speziellen Traditionen geweckt?
Im ersten Moment die Vertrautheit damit als Wolkersdorfer, wobei dies auf einen zweiten Blick gar nicht unbedingt so ist. Betrachtet man die Geschichte dieser Traditionen nämlich näher, so gibt es in den Quellen viele überraschende Dinge darüber zu entdecken.

Was macht diese Bräuche so einzigartig und bedeutungsvoll?
Hier vermischten sich Traditionen der Handwerkszünfte mit jenen der Weinhauer und des Kirtagbrauchtums, um mit einem alten Rechtssymbol der Weingartenhüter, dem Hüterbaum, und den darum entstandenen Traditionen verknüpft zu werden. Daraus entstand ein in dieser Form einzigartiges Konglomerat an Traditionen unterschiedlicher Ursprünge, was diesen „Wolkersdorfer Traditionskomplex“ so besonders macht.

Kannst du uns etwas über den Prozess der Einreichung erzählen?
Welche Schritte waren dafür erforderlich?

Grundlage war die Erstellung einer wissenschaftlichen Studie, auf der die Einreichungsunterlagen basieren. Das Einholen von Expertisen und Unterstützungserklärungen, die Aufbereitung von Bildern und Videomaterial etc. gehören da genauso dazu – kurz gesagt, ein ziemlich komplexer und langwieriger Prozess.

Gab es besondere Herausforderungen, denen du im Einreichungsprozess
begegnet bist?

Z. B. war in der Einreichung eine Argumentationsgrundlage für die Aufnahme des Wolkersdorfer Hüterbaums zu erstellen, da bereits der Hüterbaum von Wien/Neustift am Walde als Bestandteil einer anderen Tradition einen Eintrag in die Weltkulturerbe-Liste erhalten hatte. Herausfordernd war es auch, die Hintergründe für die Genese diverser Erzählungen aus den Archivalien zu erschließen bzw. diese überhaupt erst zu finden.

Was bedeutet die Auszeichnung durch die UNESCO für diese Bräuche und für die Gemeinschaft, die sie pflegt?
Ich hoffe, dass dieses Brauchtum dadurch weiter gestärkt und seine öffentliche Wahrnehmung gesteigert wird. Das Ausführen der Hauerfahne durch die Hauerburschen ist Teil der Fronleichnamsprozession in Wolkersdorf und somit auch in einer kirchlichen Tradition mitverankert. Das Aufstellen des Hüterbaums durch die Weingartenhüter stand für sich allein und läutete den Beginn der Traubenreife ein bzw. wurde mit dem Umschneiden des Hüterbaums das Ende der Weinlese angezeigt.

Welche Auswirkungen erhoffst du dir von dieser Auszeichnung auf den Erhalt und die Weitergabe dieser Traditionen?
Dass damit der gesellschaftliche Wert dieses Brauchtums betont und das öffentliche Augenmerk darauf gelenkt wird. Es braucht die Menschen, die auch bereit sind, Traditionen zu pflegen und somit zu bewahren.
Nicht nur den Weinbauverein und die Hauerburschen, sondern auch die Bürgerinnen und Bürger, die an unseren jahrhundertealten Traditionen teilhaben und als Gesamtes für die Weiterführung dieser sorgen.

Welche Maßnahmen sind deiner Meinung nach notwendig, um diese Bräuche für zukünftige Generationen zu bewahren?
Auch wenn es Kernelemente bei diesen Traditionen gibt, wurden diese immer wieder verändert, modifiziert und an die jeweiligen zeitlichen Verhältnisse angepasst. So hatten die Hauerburschen früher einen Frack und weiße Handschuhe an, wenn die Hauerfahne getragen wurde. Auch sind es in Wolkersdorf nicht mehr nur Männer, die diese Tradition pflegen – es gab auch weibliche Fahnenträgerinnen. Eine sanfte Weiterentwicklung wird immer notwendig sein, wenn unsere im UNESCO-Kulturerbe eingetragenen Traditionen langfristig erhalten bleiben sollen.